Nachbarschaftshilfe Presse

Aus den Fürther Nachrichten, vom 15.02.2008
"Biete Kuchen, brauche Babysitter!"

Tatjana Roos plant, in Fürth eine "organisierte Nachbarschaftshilfe" ins Leben zu rufen.

Frau Roos, wie funktioniert Ihr Tauschring?

Roos: Ganz einfach. Stellen Sie sich vor: Frau A kann toll Kuchen backen, hat es aber noch nicht geschafft, das Regal an die Wand zu montierten. Herr B stürtzt der PC hoffnungslos ab, er könnte aber Regale an die Wand anbringen. Student C kann den PC in Ordnung bringen, braucht aber noch einen Kuchen für die Party nächste Woche. Schon schließt sich der Kreis.

Und wie erfährt Herr B von den "Regalnöten" von Frau A"?

Roos: Da gibt es eine professionelle, aber kostenlose Software, die auch andere Tauschringe benutzen. Ich hoffe, dass wir mit dieser arbeiten können. Dann kann jeder Teilnehmer sein Angebot oder Gesuche ins Netz einstellen. Dort erscheint er aus Datenschutzgründen nur mit einem Codenamen. Aber alle Teilnehmer haben eine Liste und können nachschlagen, wer dahinter steckt. Zusätzlich soll es ein monatliches Markttreffen geben.

Einen Markt?

Roos: Ja, damit man sich kennenlernt, das hilft, die Scheu abzulegen. Wir suchen, falls unser Cafè 13 mal zu klein werden sollte, noch eine Wirtschaft mit Nebenraum und Bühne. Und bei diesen Treffen wird auch die monatliche Marktzeitung verteilt, wo man alle Angebote noch mal schwarz auf weiß bekommt.

Muss man sofort eine Gegenleistung erbringen, wenn man etwas in Anspruch nimmt?

Roos: Nein, muss man nicht. Jeder Teilnehmer hat ein Konto. Bügelt er zum Beispiel für andere Wäsche, wird seinem Konto die Währung, Talente, gutgeschrieben. Gleichzeitig wird das Konto des Auftragsgebers belastet. Man kann übrigens auch Waren anbieten.

Und mit "Talenten" bezahlen?

Roos: Ja, warum nicht? Vergangene Woche habe ich den Markttag des Tauschrings Memmingen besucht. Da gab es neben Dienstleistung so allerhand. Zum Beispiel hat ein Bauer Bergkäse verkauft. Ihn konnte man zur Hälfte mit Talenten, zur Hälfte mit Euro bezahlen.

Wie sind sie auf die Idee gestoßen?

Roos: Inzwischen weiß ich, dass es solche Tauschringe schon lange gibt. Der in Nürnberg läuft bereits seit 13 Jahren erfolgreich. Für Fürth wäre es hingegen neu. Ich habe von Tauschringen zum ersten Mal in einer Radiobericht gehört und begann sofort, im Internet zu recherchieren. Ich dachte mir gleich: Prima, dass können wir im Mehrgenerationenhaus anbringen.

Was begeistert Sie daran?

Roos: Es ist ein sehr soziales Konzept. Es schließt niemanden - zum Beispiel arme Menschen - von vornhereinaus, weil es ja ohne Bargeld funktioniert. Das Zahlungsmittel, also die Talente, ist Zeit. Gerade Arbeitslose haben viel Zeit und könnten sich einbringen. Aber das Angebot richtet sich beileibe nicht nur an Arbeitslose. Neben Privatpersonen können sich auch Wohlfahrtsverbände oder Einzelhändler beteiligen. Ich möchte möglichts viele Einrichtungen und Organisationen in Fürth mit ins Boot holen.

Und Sie? Was werden Sie im Tauschring anbieten?

Roos: Ich kann toll Kuchen backen. Im Ernst. Aber auch Kinderbetreuung oder Schreibarbeiten kann ich mir gut vorstellen.

Interview: Johannes Alles